Geheimdienst-Affäre: Digitalcourage hilft beim Rücktritt

Fehler einzugestehen ist schwer. Erst recht in einer Politik, in der selbstkritische Politiker.innen abgestraft werden und das Wegignorieren von Fehlern einfach besser funktioniert als Charakterstärke. Doch irgendwann ist auch mal Schluss mit der „Teflon-Taktik“. Um allen Politiker.innen, Beamten und Partei-Freund.innen, die verantwortlich für den aktuellen Überwachungs- und Geheimdienst-Skandal sind, wieder zu Integrität zu verhelfen, haben wir ein Rücktrittschreiben vorbereitet.

Wir fordern die Verantwortlichen auf, dieses Rücktritts-Schreiben zu unterzeichnen und Ihre Vorgesetzten – nämlich uns, die Bevölkerung – über Ihren Rücktritt zu informieren.

Potentielle Rücktritts-Kandidat.innen

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist hauptverantwortlich für die Arbeit der Regierung und des Kanzlerinnenamts. Sie ist die Konstante, die in den letzten drei Regierungen die Oberaufsicht hatte und daher ist sie sowohl für die Rechtsbrüche der Geheimdienste in der großen Koalition als auch von Schwarz-Gelb verantwortlich. Ihren Amtseid musste sie zwar schon zwei mal erneuern, doch sehr ernst scheint sie ihn nicht zu nehmen. Die Aufgabe, Schaden vom Land abzuwehren und die Menschen vor Übergriffen durch den Staat zu schützen, hat sie sträflich vernachlässigt. Frau Merkel ist kaum der Lüge zu überführen, da sie nie etwas von Belang sagt, doch genau das ist das Hauptproblem. Wer schweigt, stimmt zu. Erst recht in einer solchen Machtposition.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat als ehemaliger Chef des Bundeskanzleramtes und als Innenminister die Überwachung durch ausländische Geheimdienste mitgetragen oder sogar befördert.

Bundeskanzleramtschef Peter Altmaier ist der Bundesnachrichtendienst unterstellt. Wenn er also von den Praktiken im BND wusste, hat er millionenfachen Grundrechtsbruch geduldet. Wenn er es nicht wusste, ist er seinem Job nicht nachgegangen.

Ex-Geheimdienstkoordinator Frank-Walter Steinmeier ist mit-verantwortlich, weil während seiner Amtszeit als Beauftragter der Bundesregierung für die Nachrichtendienste („Geheimdienstkoordinator“) der rot-grünen Bundesregierung 2002 die Verträge zwischen BND und NSA geschlossen wurden.

BND-Chef Gerhard Schindler ist verantwortlich für alle Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes und hat entweder versäumt, die Aktivitäten des BND zu überblicken und/oder die Kontrollbehörden nicht informiert. Der BND erhielt 2015 den BigBrotherAward in der Kategorie Behörden und Verwaltung

Justizminister Heiko Maas ist mit dem richtigen Herz an seinen Posten im Justizministerium heran gegangen. Um so schwerer wiegt seine Schuld, seine Möglichkeiten nicht zu nutzen. Denn er müsste es eigentlich besser wissen. Als seine Vorgängerin Leutheusser-Schnarrenberger sich in der Situation befand, den großen Lauschangriff einführen zu sollen, hat sie lieber den Hut genommen. Hier ist Ihre Gelegenheit Herr Maas!

Geheimdienstkoordinator Günter Heiß ist zuständig für die Koordinierung der Nachrichtendienste des Bundes. Offensichtlich hat er von den Nachrichtendiensten keine Auskünfte über die Arbeitsmethodik und die Organisation verlangt und/oder hat Wissen zurückgehalten.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen versuchte den Militärischen Abschirmdienst dazu zu beauftragen, für das Verteidigungsministerium kritische Journalist.innen auszuspähen. Auch wenn ihr Gesuch abgelehnt wurde, hat sie damit bewiesen, dass ihre Verbundenheit zur Verfassung mehr als fragwürdig ist.

Generalbundesanwalt Harald Range hat trotz vorliegender Strafanzeige wegen massenhafter Überwachung keine Ermittlungen eingeleitet. Seit über einem Jahr liegt unsere Strafanzeige bei Herrn Range unbearbeitet herum. Seit über einem Jahr warten wir, dass er seine Arbeit aufnimmt. Doch Herr Range wird nur dann tätig, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Zum Merkel-Handy und zum BND-Skandal ermittelt er. Inwiefern sich die Bundesregierung selbst am millionenfachen Grundrechtsbruch schuldig gemacht hat, möchte er anscheinend gar nicht wissen. In der Schule nannte man das "Arbeitsverweigerung" und vergab die Note 6.

Vorlage für ein Rücktrittsgesuch

*Sehr geehrter Bundestagspräsident, liebe Parteifreundinnen und -freunde, liebe Menschen in Deutschland,

schweren Herzens habe ich mich zu einem radikalen, wie notwendigen Schritt entschieden. Es wäre mir sonst nicht mehr möglich, mich im Spiegel zu betrachten. Hiermit trete ich von meinem Amt als [bitte ausfüllen] zurück und trete auch aus der Partei [bitte ausfüllen] aus.

Die Gründe hierfür sind vielseitig:

  1. Ich sehe mich mitverantwortlich an der jahrelangen flächendeckenden Überwachung der gesamten Bevölkerung durch den US-amerikanischen Geheimdienst NSA, den Bundesnachrichtendienst und andere. Wir alle wissen, dass dies massiv gegen die Grundrechte verstößt. Ich kann mir nicht weiter etwas vormachen. Ich habe die Verfassung mit Füßen getreten und verdiene mein Amt einfach nicht mehr.
  2. Durch das Unterlassen und Verhindern der Überwachungs-Affäre habe ich die Bevölkerung hintergangen. Durch die gebetsmühlenartigen Beschwichtigungen oder mein Schweigen dazu, habe ich die Menschen belogen, die mich dereinst gewählt haben.
  3. Ich kann es nicht weiter zulassen, dass durch die BND- und NSA-Affäre jede Grundlage für Vertrauen in Politik und Verwaltung verloren geht. Ich möchte nicht mitschuld an der zunehmenden Politikverdrossenheit sein.
  4. Durch meine Duldung der Überwachung, Geheimdienstaktivitäten und Intransparenz habe ich zu verantworten, dass ich die Grundfesten der Demokratie gefährdet habe.
  5. Ich sehe mich als Politiker.in [bitte entsprechend anpassen] in einer Vorbildrolle und möchte, wenn auch etwas spät, dazu beitragen, dass Menschen zu ihren Fehlern stehen. Denn nur so kann vermieden werden, dass Menschen ihre Fehler ständig wiederholen.

Mit meinem Rücktritt appelliere ich an meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls Mitverantwortung für diesen Überwachungsskandal tragen, ebenfalls ihren Rücktritt einzureichen und aus der Partei [bitte ausfüllen] auszutreten. Die, die nicht verantwortlich sind, ermutige ich, die vollständige Aufklärung und Offenlegung der NSA- und BND-Spionagelisten voranzutreiben.


Ort, Datum


Unterschrift


Vorname und Nachname
*

Courage lohnt sich

Allen, die dieses (oder ein ähliches) Rücktrittsschreiben einreichen, versprechen wir hohe Anerkennung und Verteidigung gegen die, die sich ein Nachtreten doch nicht verkneifen können. Gehen Sie jetzt in Würde und wir werden Ihnen gegen Schandmäuler zur Seite stehen.


Digitalcourage setzt sich seit 1987 für Ihre Privatsphäre und Grundrechte ein. Werden Sie Fördermitglied bei Digitalcourage.


Titelbild: hcl: Schuh CC BY 2.0