Freunde tun so etwas nicht
Jetzt also auch Angela Merkel. „Unter Freunden geht so etwas gar nicht,“ wird die Kanzlerin dieser Tage häufig zur Spähaffäre zitiert. Damit hat sie Recht, echte Freunde lauschen nicht, erzählen vertrauliche Geheimnisse nicht weiter oder verkaufen sie gar. Schlimm, dass erst die persönliche Betroffenheit der Kanzlerin die NSA-Affäre wieder ins Bewusstsein der Großkoalitionäre in spe brachte.
Merkel vergisst aber ein paar andere Freunde: Die großen Firmen, die uns in ihrer glitzernden Werbewelt versprechen, nur unser bestes zu wollen und uns das Leben leichter zu machen. Auch diese falschen Freunde speichern massenhaft unsere Geheimnisse. Was habe ich gestern eingekauft? Payback, Amazon oder Ebay wissen es. Wo war ich gestern, mit wem habe ich gesprochen? Facebook weiß es, Google sowieso. Und sie wissen auch, ob ich Gewerkschafter bin, welche Partei ich wahrscheinlich wähle, wie viel ich ungefähr verdiene, welche Krankheiten ich habe und noch vieles mehr. Manches davon geht selbst meine engsten Freunde nichts an. Warum sollte ich also zulassen, dass meine falschen Firmenfreunde damit Geld verdienen können, indem sie mich und meine Geheimnisse verkaufen? Genau das will die EU stoppen, mit einem Datenschutzgesetz, das diesen Namen auch verdient. In der letzten Woche hat der Bürgerrechtsausschuss über dieses neue Datenschutzgesetz abgestimmt - auch unter dem Eindruck der NSA-Affäre.
Dabei wurden auch härtere Strafen bei Datenschutzverstößen und das Recht auf Löschung mit in den Gesetzestext aufgenommen, gegen die sich viele Firmen zuvor durch massives Lobbying gewehrt hatten. Aber was nützen die Strafen, wenn andere große Lücken im Gesetz klaffen? Denn andere Lobbybemühungen waren erfolgreich.
Die falschen Firmenfreunde dürften demnach auch in Zukunft meine Geheimnisse, meine Daten und meine Bewegungsprofile weiterverkaufen, wenn es in „ihrem berechtigten Interesse“, so der Gesetzestext, liegt. Aber welche Firma wird das nicht von sich behaupten? Immerhin gibt es genug Firmen, deren einziges Geschäftsmodell darin besteht, Daten zu sammeln, zu verbinden und daraus sehr wertvolle Profile zu generieren und diese dann weiterzuverkaufen. Und damit nicht genug. Der vorliegende Entwurf nimmt so genannte pseudonyme Daten aus. Firmen dürfen demnach Profile – pseudonym, also ohne meinen richtigen Namen – anlegen, ohne mich zu fragen und ohne mir zusagen, was sie damit tun. Auf den Freundeskreis übertragen hieße das, hier wird getratscht, Intimstes an andere weitergegeben und Geheimnisse verraten, ohne meinen Namen explizit zu nennen, sehr wohl aber alle anderen Eigenschaften, die es meinen Freunden möglich machen, zu wissen, um wessen Geheimnisse es hier geht.
Angela Merkel behauptet, Deutschland habe sich für einen starken Datenschutz in Europa eingesetzt. Das Gegenteil ist der Fall. Deutschland drückt auf die Bremse, Innenminister Hans-Peter Friedrich fehlte in wichtigen Abstimmungsrunden und Angela Merkel will das Gesetzespaket jetzt erst in 2015 verabschieden. Aber wir müssen jetzt anfangen, alle Firmen, die in Europa Geschäfte machen wollen, auf einen starken Datenschutz zu verpflichten. Echte Freunde würden das verstehen.
Dieser Text ist als Gastkommentar in der Mittelbayrischen Zeitung vom 31. Oktober 2013 erscheinen.
(Bild: Xavier Häpe, cc-by-nc 2.0.)