Gegen Internetsperren in einer freien Gesellschaft: Wir richten Anti-Zensur-DNS-Server ein
Pressemitteilung vom 5. Mai 2009
Anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens zur freiwilligen Zensur bestimmter Inhalte seitens der fünf größten deutschen Internetprovider haben auch wir vor dem Presse- und Besucherzentrum der Bundesregierung zu einer Mahnwache gegen Internetzensur aufgerufen. Mit dabei waren neben uns der Chaos Computer Club, Fitug e.V., der Verein der MissbrauchsOpfer Gegen InternetSperren, das Netzwerk Neue Medien, der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und andere Organisationen, um gegen Zensur und für eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter zu demonstrieren.
Bilder: Peter Ehrentraut
Wir sehen das Recht auf freie und unbeobachtete Kommunikation als eine Grundvoraussetzung für eine freiheitliche Gesellschaft an. Wir haben uns deshalb zu einer praktischen Gegenmaßnahme entschlossen und betreiben seit heute einen eigenen öffentlichen zensurfreien DNS-Server. Wer sich diesen als eigenen DNS-Server anstelle des vom Provider gelieferten Servers einträgt, kann damit die Internetsperren einfach umgehen. Die IP-Adresse lautet: 85.214.20.141.
Hintergrund: Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat sich für die Einführung einer Internetzensur ausgesprochen, da ihrer Meinung nach auf diese Weise das Problem kinderpornographischer Inhalte effektiv aus der Welt geschafft werden kann. Dieser Auffassung widersprechen wir sowohl aus technischen, als auch aus politischen Gründen. Denn technisch betrachtet ist die von der Bundesregierung angestrebte DNS-Sperrung wenig sinnvoll, da sie bereits mit wenig Aufwand umgangen werden kann. Pädophile Straftäter mit grundlegendem technischem Verständnis werden daher keinerlei Schwierigkeiten haben, auch weiterhin auf kinderpornographische Inhalte zuzugreifen. Was als bahnbrechende Maßnahme öffentlichkeitswirksam propagiert wird, stellt sich bei näherer Betrachtung als populistische, symbolische Politik heraus. Das zugrundeliegende Problem - der Missbrauch von Kindern - wird nicht gelöst, sondern vielmehr aus dem Blickfeld der Bevölkerung wegzensiert.
Kindesmissbrauch ist zweifellos ein Problem, dem die Regierung mehr Aufmerksamkeit schenken sollte, jedoch sind die Bürgerrechtler der Überzeugung, dass Internetzensur hierfür nicht das geeignete Mittel ist. Sie fordern daher eine bessere finanzielle als auch personelle Ausstattung der zuständigen Polizeibehörden sowie eine Verbesserung der Betreuungs- und Therapieangebote sowohl für Täter als auch Opfer anstelle von wahlkampftaktischer Symbolpolitik.
Neue Möglichkeiten der Kontrolle ziehen meist auch wachsende Begehrlichkeiten nach sich. Vor diesem Hintergrund birgt die nun eingeführte Internetzensur Gefahren für die Meinungsfreiheit und Vielfalt des politischen Meinungsbildes des Internets in sich. „Die Existenz einer nicht öffentlichen Zensurliste ist unvereinbar mit dem Gebot der Presse-, Informations- und Meinungsfreiheit.“ sagt Rena Tangens. Denn auch wenn zunächst nur kinderpornographische Inhalte von der Sperre betroffen sein sollen, so gibt es doch keine Garantie dafür, dass die Zensurliste in Zukunft nicht ausgeweitet werden wird, z.B. auf Webseiten von politischen Organisationen, Gewerkschaften oder allzu kritischer Presse. Aufgrund der Tatsache, dass die Liste der gesperrten Inhalte nicht öffentlich zugänglich ist, bleibt zu befürchten, dass die Rechtmäßigkeit der Sperrung keinerlei Überprüfung unterliegen wird. Das bedeutet: Allein das BKA entscheidet, was den Filter passieren darf. Wie bereits gesagt: Mit den Möglichkeiten wachsen meist auch die Begehrlichkeiten.