Digitalcourage erstattet Strafanzeige gegen Real und Deutsche Post, um die Überwachung und Analyse von Kundinnen und Kunden zu stoppen.

P r e s s e m i t t e i l u n g

Bielefeld, 20.6.2017

Digitalcourage erstattet Strafanzeige gegen Real und Deutsche Post, um die Überwachung und Analyse von Kundinnen und Kunden zu stoppen.

Die Datenschutz- und Grundrechteorganisation Digitalcourage hat Strafanzeige gegen die Deutsche Post AG und Real SB-Warenhaus GmbH erstattet. In bislang 40 Real-Märkten und 40 Filialen der Deutschen Post wird seit Herbst 2016 ein System der Echion AG getestet, mit dem das Verhalten von Kundinnen und Kunden analysiert wird. Die Post will ihren Versuch auf insgesamt 100 Filialen ausweiten. Werbedisplays im Kassenbereich filmen die Kundschaft. Dabei werden die Gesichter und biometrische Daten von Kundinnen und Kunden kurzzeitig gespeichert und automatisch analysiert. Erfasst wird deren vermutetes Geschlecht und Alter sowie die Dauer des Blickkontakts. Für die Zukunft angestrebt ist die Analyse von Kleidung, Emotionen und Körperhaltung. Das System greift nach Auffassung von Digitalcourage tief in die Privatsphäre der Kundinnen und Kunden ein.

„Wenn ich einkaufe, will ich nicht, dass mein Gesicht dabei gefilmt und analysiert wird“, sagt padeluun, Gründungsvorstand von Digitalcourage. „Die Verfolgung von Kundinnen und Kunden beim Online-Shopping ist bereits eine Katastrophe für die Privatsphäre. Der Einzelhandel sollte genau mit dem Gegenteil punkten und die Kundschaft in Ruhe lassen.“

Derzeitig werden Betroffene in den Filialen nur auf konventionelle Kameraüberwachung hingewiesen. Ein Hinweis auf Gesichtserkennung und intelligente Datenverarbeitung fehlt. Kundinnen und Kunden haben darum keine Möglichkeit, der Beobachtung zu widersprechen. Wer aus den Medien von dem System erfahren hat, ist durch die Gesichtsanalyse einem Überwachungsdruck ausgesetzt. In Kombination mit Zeitstempeln der Aufnahme und den Informationen der Kassensysteme ist eine Identifikation der Kundinnen und Kunden möglich. So kann die Pseudonymisierung der Daten aufgehoben werden.

„Wenn diese Firmen nichts dabei finden, die Präferenzen ihrer Kunden auszuforschen, bleibt unverständlich, warum sie dies heimlich tun,“ meint Rechtsanwalt Markus Kompa, der mit der Strafanzeige beauftragt wurde. „Dieses System könnte einen Dammbruch weiterer Begehrlichkeiten der Werbeindustrie nach sich ziehen, die uns bereits heute online bis in privateste Bereiche ausspioniert. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kann nur dann durchgesetzt werden, wenn Kunden eine Chance zur Beurteilung haben, ob sie getrackt werden – und die Möglichkeit, dem zu widersprechen.“


„Wenn wir uns nicht wehren, wird in Zukunft unsere Körperhaltung, unsere Kleidung, unsere Mimik und die Qualität unserer Haut analysiert. Das dürfen wir nicht zulassen, sonst wird die Überwachung durch Unternehmen weiter ausarten“, sagt Kerstin Demuth vom Verein Digitalcourage. „Der Einzelhandel sollte sich darauf konzentrieren, mit Waren Umsatz zu generieren und nicht mit den Daten seiner Kundinnen und Kunden. Marketing nach mutmaßlichem Geschlecht und Alter ist schlimm genug. Wenn wir dagegen jetzt nichts tun, werden wir bald digital durch den ganzen Laden verfolgt. Dann kommen Kundenprofile und Preisdiskriminierung.“

Die Volltexte der Anzeigen finden Sie auf unserer Website im PDF-Format:
https://digitalcourage.de/blog/2017/gesichtsanalyse-bei-post-und-real-wir-stellen-strafanzeige
https://digitalcourage.de/sites/default/files/users/161/strafanzeige_real_post_06_17.pdf
https://digitalcourage.de/sites/default/files/users/161/strafanzeige-post-ag-06-17.pdf

Pressekontakt
Digitalcourage e.V., Kerstin Demuth, padeluun
Tel: 0521 1639 1639
presse@digitalcourage.de
digitalcourage.de

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