Bundesfinanzhof: Gemeinnützige Vereine dürfen politisch arbeiten
Vereinen, die sich politisch betätigen, darf deshalb nicht die Gemeinnützigkeit entzogen werden.
Das bekräftigte das höchste deutsche Finanzgericht in einem Urteil. Der BUND hatte gegen die Entscheidung des zuständigen Finanzamtes geklagt. Dazu veröffentlichte die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ eine Pressemitteilung. Unter dem Motto „Zivilgesellschaft ist gemeinnützig“ setzt sich die Allianz dafür ein, dass Vereinen nicht die Gemeinnützigkeit entzogen werden darf, weil sie sich politisch betätigen – wer soll sonst die Parlamente und Ministerien daran erinnern, was die Interessen der Bürger.innen sind?
Digitalcourage ist ebenfalls Mitglied des Netzwerks von über 80 Vereinen – schließlich sind wir als gemeinnütziger Verein, der Grundrechte schützt, selber davon bedroht. Wir teilen die Pressemitteilung hier in gekürzter Form (Hervorhebungen von Digitalcourage):
Der Bundesfinanzhof (BFH), das höchste deutsche Finanzgericht, interpretiert das Gemeinnützigkeitsrecht anders als das Bundesfinanzministerium. Während das Ministerium wiederholt behauptet, es gebe eine „steuerliche Trennlinie“ zwischen der Förderung gemeinnütziger Zwecke und politischer Betätigung, erklärt der BFH in einer aktuellen Entscheidung: „Äußerungen, die zwar in dem Sinne als ‚politisch‘ anzusehen sind, als sie das Gemeinwesen betreffen, die aber zugleich parteipolitisch neutral bleiben, stehen der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft nicht grundsätzlich entgegen“, so lange sie dem gemeinnützigen Satzungszweck dienen.
Immer wieder monieren Finanzämter eine angeblich zu politische Tätigkeit gemeinnütziger Organisationen. Dies kann die Existenz der Organisationen gefährden oder behindert bereits die Gründung zivilgesellschaftlicher und demokratiefördernder Initiativen.
Prominentester, aber bei weitem nicht einziger Fall ist der Rechtsstreit um die Gemeinnützigkeit von Attac. In der aktuellen BFH-Entscheidung geht es um den Landesverband Hamburg des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Das Verfahren läuft bereits seit sechs Jahren. Im Fall des BUND sieht der BFH anders als die Finanzverwaltung „keine Gesichtspunkte erkennbar, die dafür sprechen könnten, dass die Unterstützung der Volksinitiative durch den Kläger seine Verpflichtung zur parteipolitischen Neutralität verletzt haben könnte“. Der BUND habe nicht zur Unterstützung einer bestimmten politischen Partei aufgerufen.
Der zehnte Senat des BFH verweist im Urteil ausdrücklich auf seine „ständige Rechtsprechung“ in dieser Frage, demnach „der Versuch der Einflussnahme auf die Willensbildung staatlicher Stellen noch als Förderung der Allgemeinheit anzusehen ist und keine unzulässige politische Betätigung darstellt.“ Auch das Gebot der Unmittelbarkeit sei nicht verletzt, da gerade beim Umweltschutz „die endgültige Abwägung zwischen den widerstreitenden Zielen“ den politischen Entscheidungsträgern obliege. „Unsere Demokratie braucht auch Engagement außerhalb von Parteien – die Abgabenordnung lässt das als gemeinnützig zu“, erklärt dazu Stefan Diefenbach-Trommer von der Allianz. „Nur das Bundesfinanzministerium sieht das anders und weigert sich anzuerkennen, dass gemeinnützige Zwecke wie der Umweltschutz oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau selbstverständlich politisch sind. Wolfgang Schäuble muss zu einer offenen Demokratie beitragen statt sie zu behindern!“
Weiterführende Links
Die vollständige Pressemitteilung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung – Zivilgesellschaft ist gemeinnützig!“:
http://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/bfh-gemeinnuetzigkeit-und-politik/
Link zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs:
https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=en&Datum=Aktuell&nr=34884&linked=urt
Bild: Mehr Demokratie e.V. via flickr; CC BY-SA 2.0