Smart Toys – Plüschige Drohnen?
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Wozu brauchen Spielzeuge Mikrofone, Kameras, WLAN-Anbindung, Fernsteuerung über Apps und Aufnahmefunktion? Das „smarte“ Spielzeug kann reagieren und antworten. Dabei überwacht es aber Kinder; Eltern, Unternehmen und Kriminelle hören mit. Ist das klug?
Inhalt
1. Was ist ein Smart Toy?
2. Wo stehen wir aktuell?
3. Welche Daten werden gesammelt?
4. Wo liegen die Gefahren?
5. Fazit
Weiterführende Links
1. Was ist ein Smart Toy?
Smart Toys sind in erster Linie nicht dazu gedacht, Kinder beim Spielen schlauer zu machen. Smart Toys sollen selbst intelligent sein. Intelligent heißt hier: Sie sollen angemessen auf das Kind reagieren.
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Standard ist heute bereits eine Reaktion auf eine Bewegung oder Aussage des Kindes. Wenn das Kind eine Puppe fragt „Wie alt bist du?“ und die Puppe anwortet „Spielen ist sooo lustig.“, ist das nicht smart. Heutige Technologien gehen aber weit über solche kleinen Reaktionen hinaus. Aktuell werden Spielzeuge entwickelt, die sich den Interessen des Kindes entsprechend verhalten und auf das Kind zugeschnittene Spielangebote bereitstellen.
Dafür ist es nötig, dass beim Spielen Daten über die Interessen und das Verhalten des Kindes erhoben, verarbeitet und gespeichert werden. Was Firmen wie Google oder Amazon bei Erwachsenen tun, nämlich psychografische Personenprofile erstellen, um zugeschnittene Angebote zu liefern, tun Smart Toys bei Kindern.
2. Wo stehen wir aktuell?
Spracherkennung
Smarte Spielzeuge werden immer populärer, denn eine Puppe, mit der das Kind sprechen kann, bietet ihm mehr Abwechslung als das gute, alte, stumme Holzpferd. Die sprechende Puppe, die in den USA am meisten Aufmerksamkeit erhielt, ist die „Hello Barbie“(Pressekonferenz von Digitalcourage zur „Hello Barbie“). Das Unternehmen ToyTalk hat eine Spracherkennungssoftware entwickelt, mittels derer die Antworten der Puppe besser auf die Äußerungen des Kindes abgestimmt werden sollen. Ein Mikrofon in der Barbie registriert alles, was in ihrer Gegenwart gesprochen wird. Die Sprachaufnahmen werden per WLAN auf eine Datenbank in der Cloud geladen und eine passende Antwort ausgewählt. Außerdem schickt die Herstellerfirma Mattel wöchentlich einen Link an die Eltern, die über diesen die aufgezeichneten Audiodateien abrufen können.
Videospiele
Auch Videospiele werden mittlerweile smart und können Daten erheben. Unternehmen wie Nintendo haben beispielsweise Sportspiele entwickelt, bei denen auch Fitnesstests durchgeführt werden. Da eine über die Konsole eine Internetverbindung möglich ist, können auch hier Gesundheitsdaten abgegriffen werden. Realistisch betrachtet geben diese Gesundheitsdaten aber wenig Aufschluss, da sie sehr viel ungenauer sind als beispielsweise ein Gesundheitsarmband. Für das Marketing der Unternehmen interessant sein könnte aber, wie lange Kinder die Software benutzen, welche Präferenzen sie haben und ähnliches. Jedes Spielzeug, das mit dem Internet verbunden ist, hat das Potential, solche Daten zu übertragen.
Interessenprofile
Ein besonderer Service seitens der Unternehmen ist die Erstellung eines Interessenprofils. Von Amazon kennen wir ein solches Vorgehen bereits: Anhand unserer bisherigen Käufe und Klicks werden uns Kaufvorschläge zusammengestellt, die unseren Interessen entsprechen. Kinder können zwar noch keinen Amazon-Account haben, doch hat sich das Unternehmen eine Alternative überlegt: Amazon Fire, ein Pad speziell für Kinder. Auf diesem ist eine Software speziell für Kinder installiert: Eltern können aus einer von Amazon getroffenen Vorauswahl an Serien, Spielen und Geschichten diejenigen auswählen, auf die ihr Kind Zugriff haben soll. Hierfür erstellen sie außerdem Kinderprofile, die keinen Zugriff auf Webbrowser, soziale Netzwerke oder Käufe haben. Trotzdem erstellt Amazon aus den gegebenen Informationen ein „[...] Profil Ihres Kindes, um Kindle FreeTime zu einem personalisierten Erlebnis zu machen.“ Außerdem ist zu bedenken, dass Apps von Drittanbietern wieder andere Nutzungsbedingungen haben als Amazon.
Heute wissen Algorithmen, was wir tun, was wir denken und wie wir uns fühlen – vielleicht sogar besser als unsere Freunde und unsere Familie, ja als wir selbst. (Spektrum Digital-Manifest S. 8)
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Auch Smart Toy, eine Tochterfirma von Fisher Price, stellt Spielzeuge her, die Profile erstellen – hier vor allem über die Interessen des Kindes. Täglich werden Downloads neuer Software (z.B. neuer Geschichten, die das Spielzeug erzählt) durchgeführt, die auf die Interessen des Kindes abgestimmt sind. Die Download-Verbindung ist verschlüsselt, außerdem werden keine Sprachaufnahmen der Kinder über das Internet verschickt. „Nothing your child says to Smart Toy is recorded, transmitted, stored or even auto-tuned.“ Es werden auch keine Daten übertragen, die das Kind persönlich erkennbar machen. Außerdem haben die Spielzeuge keine Kamera, sondern einen Sensor, um spezielle Spielkarten zu lesen, die dann Aktionen auslösen. Es werden also keine Fotos und Videos aufgezeichnet. Einzig die Kontaktdaten der Eltern werden gespeichert, und sogenannte „passive Daten“, also solche über die Nutzungsdauer und den verwendeten Browser.
3. Welche Daten werden gesammelt?
Die gute Nachricht zuerst: Viele Unternehmen versprechen, sorgsam mit den Daten der Kinder umzugehen, die übertragen werden (dazu gehören Bilder, Töne, Verbindungsdaten Nutzungsdaten et cetera). Den Eltern wird volle Kontrolle garantiert und Datenschutzbestimmungen werden meist sogar prominent auf Websites platziert. So beispielsweise auch bei der Firma Smart Toy, die mit der Wahl von Sensoren statt Kameras eine datenschutzrechtlich sinnvolle Entscheidung getroffen hat. Anscheinend reagieren Eltern auf den Schutz ihrer Kinder besonders sorgsam, und die Unternehmen tragen dieser Sorge Rechnung. Außerdem sind die Produkthaftungsgesetze bei Produkten für Kinder besonders streng, sodass auch die Unternehmen Interesse daran haben, sichere Spielzeuge auf den Markt zu bringen.
Alle Versprechen von Unternehmen lösen nicht das grundsätzliche Problem des Eingriffs in das Grundrecht der Privatsphäre. Sowohl Massenüberwachung durch Geheimdienste, als auch fehlende Datenschutzgesetze in den USA machen smarte Spielzeuge zu potentiellen Einbrecher.innen in die Grundrechte von Kindern.
Das können auch als Datenschutzabkommen getarnte Datenhandelsabkommen wie das „Privacy Shield“ nicht ändern.
Außerdem gehen einige Spielzeuge nicht gerade sorgsam mit den Daten der Kinder um. Die Audioaufnahmen der Hello Barbie beispielsweise werden zwar verschlüsselt an die Cloud übertragen, bleiben dort jedoch zwei Jahre lange gespeichert. Was Kinder in einem scheinbar privaten Raum äußern, wird ohne ihr Wissen plötzlich den Eltern und dem Unternehmen zugänglich. Wenn dann auch noch die Interessen, die Nutzungsgewohnheiten, die Lernfortschritte des Kindes festgehalten werden, entsteht nach und nach ein ausführliches Profil.
4. Wo liegen die Gefahren?
Problem 1: Die Privatsphäre des Kindes liegt in den Händen der Eltern und der Hersteller.
Diese sind aber oft selbst nicht hinreichend über Datenschutz aufgeklärt. Sie entscheiden für das Kind, dass seine Spiel-, Lern- und Gesprächsdaten weitergegeben werden. Denn manche Eltern wollen selbst in diese Privatsphäre eindringen, um ihr Kind zu schützen – Schutz wird hier aber häufig Kontrolle.
Problem 2: Die Würde des Kindes wird verletzt. Auch die Würde des Kindes ist unantastbar. Das zeigte eine szenische Inszenierung von Digitalcourage im Januar 2016. Smarte Spielzeuge spitzeln im Kinderzimmer und übertragen Informationen über das Kind an Unternehmen oder an die Eltern. Doch nicht nur diese können mithören. Auch smarte Spielzeuge können gehackt werden, wie die Hello Barbie beweist. Weil spitzelnde Smart Toys die Würde des Kindes verletzen, wurde die Hello Barbie 2015 mit dem Big Brother Award in der Kategorie Technik geehrt. Der Whistleblower Edward Snowden warnt in einem Interview:
Kinder, die heute geboren werden, werden nie erfahren, was es bedeutet, private Augenblicke nur für sich selbst, undokumentierte und unanalysierte Gedanken zu haben.
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Problem 3: Interessen werden beeinflusst.
„What kids want today. And tomorrow.“ Mit diesem Spruch wirbt Amazon Fire HD. Was wohl nach einem vielseitigen und niemals langweiligen Angebot klingen soll, erweckt vielmehr den Eindruck von Manipulation. Denn die Pads sind nicht nur Spielzeuge, sondern auch Marketinginstrumente. Wenn schon die Kleinsten an ein Pad gewöhnt werden, werden sie sich auch in Zukunft nicht davon trennen wollen. Sie werden zu Konsument.innen erzogen, die lediglich Produkte auswählen, anstatt kreativ und selbstbestimmt zu spielen.
Problem 4: Kinder werden nicht ins Spiel involviert.
Viele smarten Spielzeuge scheinen eine völlig auf das Kind zugeschnittene Präsentation ablaufen zu lassen, ohne dabei aber das Kind zu involvieren oder selbst zur Handlung anzuregen. So konnte eine amerikanische Forscherin zeigen, dass viele Smart Toys für Kinder schnell langweilig werden, weil sie nicht dazu anregen, die eigene Fantasie zu benutzen.
5. Fazit
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Die Idee des Smart Toys ist interessant: Kindern wird ein auf sie zugeschnittenes Unterhaltungsprogramm geboten, das mit Lernspielen verknüpft sein kann. Besonders bedenklich ist: Auch wenn Hersteller Informationen verschlüsseln, wird die Würde des Kindes verletzt, wenn Eltern es beim Spielen überwachen können, Firmen Gesprächsdaten auswerten und im schlimmsten Fall Hackerinnen Daten stehlen. Eltern sollten daher genau überlegen, ob sie ihre Kinder mit Smart Toys spielen lassen wollen, denn sie tragen hier die Verantwortung.
Weiterführende Links
Bilder
Barbie and Mac: Mayra Chiachia auf flickr CC BY-SA 2.0
brain picture: Allan Ajifo auf flickr CC BY 2.0 (nicht mehr verfügbar; zuletzt abgerufen am 29.01.2016)
Savage Wii Boxing Match: Sherif Salama auf flickr CC BY 2.0
Creepy 'Hello Barbie' Doll Will Spy on Your Kids: Mike Licht auf flickr
CC BY 2.0
2nd Graders using Build A Bird app on the iPad: K. W. Barett auf flickr CC BY 2.0
Rocking Horse: Susan Dussamann auf flickr CC BY-SA 2.0
Text
Maximilian Köster