Legal, illegal, BNDal: BND-Gesetz soll Massenüberwachung legalisieren
Die Große Koalition hat sich Ende Juni 2016 auf einen Entwurf für ein neues Gesetz für den deutschen Auslandsgeheimdienst BND geeinigt. Damit soll der Geheimdienst mehr Macht zum Überwachen und Spionieren bekommen:
- Der BND (Wikipedia) soll Auslands-Kommunikation auch innerhalb Deutschlands massenhaft überwachen dürfen.
- Zukünftig soll der BND komplette Netze abhören, statt wie bisher einzelne Daten-Leitungen in beschränktem Umfang.
- Der Datenaustausch zwischen BND und anderen Geheimdiensten, wie dem US-Geheimdienst NSA, soll legalisiert werden.
- Ausländische Journalist.innen sollen ins Visier der Überwachung genommen werden, wogegen Reporter ohne Grenzen eine Petition gestartet haben.
- Ausländische Jurist.innen und ihre Klient.innen sollen überwacht werden.
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Zusammen mit dem neuen Anti-Terror-Paket und dem neuen Anti-Terror-Zentrum in Den Haag (Matthias Monroy hat für netzpolitik.org berichtet) erhöht das BND-Gesetz weiter die Dichte der Überwachung (siehe Materialsammlung zur Überwachungsgesamtrechnung von Digitalcourage).
Kriminell bis Grauzone: Praktiken des BND
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Wenn das neue BND-Gesetz beschlossen wird, legalisiert die Große Koalition damit die rechtswidrigen Aktivitäten des BND, die der NSA-Untersuchungsauschuss nach den Enthüllungen von Edward Snowden aufgedeckt hat. Der NSA-Untersuchungsauschuss hat unter anderem die Inlandspionage durch die Operation Eikonal aufgedeckt. Ein geleakter Bericht der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff belegt 18 schwerwiegende Rechtsverstöße durch den deutschen Geheimdienst. Netzpolitik.org hat den Bericht im Volltext veröffentlicht. Auch drei Sonderberichterstatter der UN kritisieren das geplante BND-Gesetz (PDF, en):
- ungenau eingeschränkte Überwachungsziele
- Unvereinbarkeit mit Artikel 19 (Meinungsfreiheit) und 17 (Schutz vor Eingriffen in Privatsphäre) des UN-Zivilpakts
- die Überwachungsmaßnahmen sind nicht verhältnismäßig
- Eingriffe in Pressefreiheit und Schutz von Anwält.innen und Mandant.innen
- ungenügende Aufsicht und Kontrolle
460.000 rechtswidrige Selektoren
Der BND hat mit Hilfe der Telekom Telefon- und Internetdaten am Internet-Knoten in Frankfurt am Main erfasst und an den US-Geheimdienst NSA weitergegeben, wobei Daten von deutschen Bürger.innen nur unzureichend herausgefiltert wurden. Der BND beteiligte sich auch an Wirtschaftspionage innerhalb der Europäischen Union und an Spionage gegen die EU-Kommission und Behörden in Österreich und Frankreich. Zur Datenerfassung nutzte und nutzt der BND mehr als 460.000 rechtswidrige Selektoren, die bislang nicht unabhängig geprüft wurden.
Weitere Geheimdienstoperationen an denen der BND beteiligt ist:
Operation Glotaic (Zugriff des CIA auf deutsche Telekommunikation) und Operation Monkeyshoulder (Datenaustausch zwischen BND, NSA und GCHQ).
Das millionenfache und anlasslose Speichern und Auswerten von Verkehrsdaten (Metadaten) und die unbegrenzte automatisierte Übermittlung von Daten an andere Geheimdienste ist nicht vereinbar mit geltenden Grundrechten.
Ausspähen unter Freunden
Die Überwachungsverfahren der Operationen Eikonal, Glotaic und Monkeyshoulder sollen mit dem neuen BND-Gesetz legal werden:
Bei Partner-Operationen wie Eikonal mit der NSA darf der BND „Informationen einschließlich personenbezogener Daten“ austauschen, und zwar „zu politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Vorgängen im Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind“. Das ist klassische politische Spionage ohne wirksame Einschränkung. Quasi jede Kommunikation ausländischer Regierungen und Firmen dürfte „von außenpolitischer Bedeutung“ sein. Immerhin gibt es noch Streit, ob die Vorgänge nicht vielleicht von „erheblicher“ Bedeutung sein sollten. Aber es bleibt „Ausspähen unter Freunden“. (Andre Meister auf netzpolitik.org)
Datentausch mit NSA & Co.
Aktuell leitet der BND „bis zu 1,3 Milliarden Daten pro Monat“ von Deutschen an den US-Geheimdienst NSA weiter. Gemeint sind Metadaten. Diese umfassen Geo-Daten, E-Mail-Betreffe und Zeitpunkte von Kommunikation. Dieser Eingriff in das Grundrecht auf Privatsphäre soll nach Willen der Bundesregierung in Zukunft legal sein:
Die im Rahmen einer Kooperation erhobenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten dürfen der ausländischen öffentlichen Stelle automatisiert übermittelt werden…. (Entwurf S. 16)
Mit Vollkraft in den Überwachungsstaat
Drei Jahre sind seit Snowdens Enthüllungen vergangen. Drei Jahre, in denen nichts getan wurde, um die Bevölkerung vor illegaler Spionage und Überwachung zu schützen. Nun soll das Problem gelöst werden, indem die Machenschaften der Geheimdienste einfach legalisiert werden. Mit dem geplanten BND-Gesetz wollen SPD und CDU/CSU rechtswidrige Überwachung erlauben. Das ist extrem gefährlich für die Demokratie und Freiheit. Deutschland nähert sich mit riesen Schritten dem Überwachungsstaat. Das neue BND-Gesetz ist ein Freibrief für uferlose Überwachung, jenseits von rechtstaatlicher und diplomatischer Vernunft sowie geltenden Grundrechten.
Die gute Nachricht
Noch ist Zeit das geplante BND-Gesetz aufzuhalten. Im Oktober wird der Bundestag das Gesetz diskutieren und darüber abstimmen. Mit fundierter Kritik von UN-Sonderberichterstattern, der Bundesdatenschutzbeauftragten, der Zivilgesellschaft, Journalist.innenverbänden gibt es viele gute Argumente gegen das Gesetz und gegen den Bundesnachrichtendienst an sich.
Weitere Informationen
- Andre Meister (netzpolitik.org): Wir veröffentlichen den Gesetzentwurf zur BND-Reform: Große Koalition will Geheimdienst-Überwachung legalisieren
- Kai Biermann (zeit.de): BND-Reform: Selbstherrliche Überwachung soll Gesetz werden
- netzpolitik.org: Live-Blog aus dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss: „Die gesamte deutsche Auslandsaufklärung ist rechtswidrig.“
- Entwurf des neuen BND-Gesetzes (netzpolitik.org)
- UN-Sonderberichterstatter kritisieren geplante BND-Reform (finanzen.net)
- Stellungnahme Reporter ohne Grenzen (PDF)
- Andre Meister (netzpolitik.org): Geheimer Prüfbericht: Der BND bricht dutzendfach Gesetz und Verfassung – allein in Bad Aibling (Updates)
Titelbild: Dr. Johannes W. Dietrich cc Namensnennung 2.0