Der liebe Gott sieht alles, aber er petzt nicht
Digitalcourage wirkt. Wirken Sie mit!
Das Thema „Datenschutz“ im Gottesdienst? Na klar, dachte sich Pastor Florian Schwarz im Jahr 2009 und erarbeitete eine Liturgie, die sich dem Datenschutz widmete. Er suchte Bibelstellen heraus, die zum Thema passten und lud unseren padeluun ein, bei seinem „Kulturgottesdienst“ in der Cuxhavener Martinskirche eine Predigt zum Thema Datenschutz zu halten. Wir fanden dieses Experiment, unser Thema auch in den Kulturraum Kirche zu tragen, so spannend, das wir zusagten.
Und tatsächlich beschäftigten sich alle Textstellen (von den lithurgischen Formalien mal abgesehen) mit den Themen, „zählen“, „Wissen“ und der „Hybris“ (griechisch ὕβρις hǘbris ‚Übermut, Anmaßung‘). Denn – so die Interpretation – nur Gott darf alles wissen; wenn die Menschen sich aufschwingen, alles wissen zu wollen, dann wird (Gottes) Strafe folgen.
Man mag nun zu Religion und Kirche, grundgesetzlich garantiert, eingestellt sein, wie man will. Wir fanden diese Arbeit so spannend, dass wir uns recht schnell überlegt hatten, die ausgearbeitete Liturgie bei uns online zu stellen – als Anregung für andere Kirchengemeinden, sich dem Thema auch im Gottestdienst zu nähern.
Über Zusendungen anderer Glaubensgemeinschaften, Katholische oder Pastafarische Messen, Muslimische Gebete, Buddhistische Gespräche, Jüdische Gottesdienste etc. würden wir uns freuen.
Hier nun Ausschnitte aus dem evengelischen Gottesdienstes aus 2009. Die vollständige Textversion (inklusive der lithurgischen Formeln wie Glaubensbekenntnis, Vaterunser etc.) finden Sie hier. Aus Verwertungsrechtsgründen sind Liedtexte und Noten leider nicht mit aufgeführt.
- Begrüßung durch Herrn Pastor Schwarz
- Lesung 1. Buch der Chronik
- Lesung Hiob
- Datenschutzpredigt von padeluun
Begrüßung durch Herrn Pastor Schwarz
701 987 453 22*.
Mit dieser Zahl begrüße ich Sie ganz herzlich zum Kulturgottesdienst am Samstagabend. 701 987 453 22 – Diese Zahl war der Grund, warum wir diesen Kulturgottesdienst zum Thema Datenschutz und Menschenwürde veranstalten. In der Januarausgabe der Kulturgottesdienste wollten wir einen Gastprediger zu Wort kommen lassen, der kompetent über ein Thema des vergangenen Jahres predigen kann.
Dass wir das Thema Datenschutz gewählt haben, liegt an einen Brief, der vor einigen Wochen in meinem Briefkasten lag und in dem die Zahl 701 987 453 22 stand. 701 987 453 22 das ist meine Tochter Julia. Zweieinhalb Jahre alt und von ihren Eltern heiß geliebt. In dem Brief wurde uns mitgeteilt, dass Julia Maria Schwarz, geboren am 12. Mai 2006, die Steuernummer 701 987 453 22 zugeteilt wurde.
Ein Kind Gottes, reduziert auf eine Zahl.
Der Versuch, jedem Menschen in diesem Land eine Personenkennziffer zu verpassen, scheiterte vor einigen Jahren am Bundesverfassungsgericht, weil dies nicht mit der Würde des Menschen zu vereinen wäre. Dann eben eine Steuernummer für jeden Menschen, egal ob er Steuern zahlt oder nicht – das erfüllt den gleichen Zweck. Für den Staat ist meine Tochter jetzt nur noch eine Nummer. Was für ein Menschenbild. In der Bibel heißt es über den Menschen: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“ Das Ebenbild Gottes reduziert auf eine Zahl. Für mich als Christen ein unmöglicher Zustand. Ein Zustand, bei dem wir als Kirche nicht umhin kommen, Stellung zu beziehen. Ich war selber überrascht, in welch großem Ausmaß die Bibel auf diesen Punkt eingeht. Es ist nicht nötig, Parallelen zu ziehen oder biblische Texte in Analogien heranzuziehen. Nein, die biblischen Texte sprechen Datensammelei und Volkszählung und die Reduzierung von Menschen auf Zahlen deutlich an. Wir sind als Christen nicht alleine auf dieser Welt. Abscheu vor der Reduzierung des Menschen auf Zahlen haben auch andere Menschen. Ich freue mich, dass wir padeluun gewinnen konnten, in diesem Gottesdienst über seine Motivation gegen die Datensammelei zu kämpfen zu sprechen. Padeluun war im vergangenem Jahr die treibende Kraft hinter der Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung und Organisator der Demonstration Freiheit statt Angst. Mit seinem Verein FoeBuD deckte er in den vergangenen Jahren immer wieder heimliche Datenspeicherung von Konzernen und staatlichen Stellen auf und machte sie mit der Verleihung des BigBrotherAwards öffentlich. Den Titel für diesen Gottesdienst „Der liebe Gott sieht alles – aber er petzt nicht“ ist auch das diesjährige Motto seines Vereins.
Ich wünsche ihnen einen spannenden Gottesdienst, den wir feiern im Namen des Vaters, der uns Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen hat, im Namen des Sohnes, der auch die Ausgestoßenen und Abgestempelten als Kind Gottes angenommen hat, und im Namen des Heiligen Geistes, der uns die Kraft gibt, unsere Mitmenschen nicht als Zahl, sondern als einzigartige Wesen wahrzunehmen. Amen
Lesung aus dem 1. Buch der Chronik im 21. Kapitel
Es ist kein Phänomen der Neuzeit, Menschen zu Zahlen zu machen. Die Volkszählung in der Weihnachtsgeschichte ist ihnen sicherlich bekannt. Aber bereits 1000 Jahre früher gab es bereits eine Volkszählung unter König David. Meines Wissens der älteste Bericht über ein solches Vorhaben überhaupt. Der biblische Text lässt keinen Zweifel daran, was eine Volkszählung in Gottes Augen darstellt und David erkennt es im Verlauf der Geschichte selbst: Eine schwere Sünde und eine Torheit. Ich lese aus dem 1. Buch der Chronik im 21. Kapitel:
Und der Satan stellte sich gegen Israel und reizte David, daß er Israel zählen ließe.
2 Und David sprach zu Joab und zu den Obersten des Volks: Geht hin, zählt Israel von Beerscheba bis Dan und bringt mir Kunde, damit ich weiß, wie viel ihrer sind.
3 Joab sprach: Der HERR tue zu seinem Volk, wie es jetzt ist, hundertmal soviel hinzu! Aber, mein Herr und König, sind sie nicht alle meinem Herrn untertan? Warum fragt denn mein Herr danach? Warum soll eine Schuld auf Israel kommen?
4 Aber des Königs Wort blieb fest gegenüber Joab. Und Joab ging hin und zog durch ganz Israel und kam nach Jerusalem zurück
5 und gab David die Zahl des gezählten Volks an. Es waren von ganz Israel elfmal hunderttausend Mann, die das Schwert trugen, und von Juda vierhundertsiebzigtausend Mann, die das Schwert trugen.
6 Levi aber und Benjamin zählte er nicht mit; denn Joab war des Königs Wort ein Greuel.
7 Dies alles aber mißfiel Gott sehr, und er schlug Israel.
8 Da sprach David zu Gott: Ich habe schwer gesündigt, daß ich das getan habe. Nun aber nimm weg die Schuld deines Knechts; denn ich habe sehr töricht getan.
9 Und der HERR redete mit Gad, dem Seher Davids, und sprach:
10 Geh hin, rede mit David und sprich: So spricht der HERR: Dreierlei lege ich dir vor; erwähle dir eins davon, daß ich es dir tue.
11 Und als Gad zu David kam, sprach er zu ihm: So spricht der HERR: Erwähle dir
12 entweder drei Jahre Hungersnot oder drei Monate Flucht vor deinen Widersachern und vor dem Schwert deiner Feinde, daß es dich ergreife, oder drei Tage das Schwert des HERRN und Pest im Lande, daß der Engel des HERRN Verderben anrichte im ganzen Gebiet Israels. So sieh nun zu, was ich antworten soll dem, der mich gesandt hat.
13 David sprach zu Gad: Mir ist sehr angst, doch ich will in die Hand des HERRN fallen, denn seine Barmherzigkeit ist sehr groß; aber ich will nicht in Menschenhände fallen.
14 Da ließ der HERR eine Pest über Israel kommen, so daß siebzigtausend Menschen aus Israel starben.
15 Und Gott sandte den Engel nach Jerusalem, es zu verderben. Aber während des Verderbens sah der HERR darein, und es reute ihn das Übel. Und er sprach zum Engel, der das Verderben anrichtete: Es ist genug; laß deine Hand ab! Der Engel des HERRN aber stand bei der Tenne Araunas, des Jebusiters.
16 Und David hob seine Augen auf und sah den Engel des HERRN stehen zwischen Himmel und Erde und ein bloßes Schwert in seiner Hand ausgestreckt über Jerusalem. Da fielen David und die Ältesten, mit Säcken angetan, auf ihr Antlitz.
17 Und David sprach zu Gott: Bin ich's nicht, der das Volk zählen ließ? Ich bin's doch, der gesündigt und das Übel getan hat; diese Schafe aber, was haben sie getan? HERR, mein Gott, laß deine Hand gegen mich und meines Vaters Haus sein und nicht gegen dein Volk, es zu plagen. Und der HERR wurde dem Land wieder gnädig, und die Plage wich von dem Volk Israel.
Lesung aus dem Buch Hiob im 28. Kapitel
In der Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies verführt die Schlange die Menschen mit den Worten: An dem Tage, da ihr vom Baum der Erkenntnis esset, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Die Geschichte sagt nicht, ob die Schlange gelogen hat oder ob Adam und Eva einfach nur nicht genug von der Frucht gegessen haben. Die Geschichte vom Sündenfall will in der Sprache des Mythos davon erzählen, dass der Mensch über sich selbst hinauswachsen will, mehr wissen will als er kann und nicht akzeptieren kann, dass Gott allein alles weiß und der Mensch sich mit einem beschränktem Wissen abfinden muss. In der Geschichte von Hiob, das vom Leiden eines Gerechten erzählt und die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes stellt, gibt es eine Szene, in der Hiob Gott anklagt. Ganz formal nach den juristischen Gepflogenheiten seiner Zeit klagt er Gott vor Zeugen an, ungerecht zu sein. Gott reagiert auf diese Anklage. Es ist eine harte Antwort angesichts Hiobs Leiden. Gott weist ihn auf seinen Platz. Bei allem menschlichem Streben ist das, was der Mensch wissen kann begrenzt. Ich lese aus dem Buch Hiob im 28. Kapitel:
Es hat das Silber seine Gänge und das Gold seinen Ort, wo man es läutert. Eisen bringt man aus der Erde, und aus dem Gestein schmilzt man Kupfer. Man macht der Finsternis ein Ende, und bis ins Letzte erforscht man das Gestein, das im Dunkel tief verborgen liegt. Man bricht einen Schacht fern von da, wo man wohnt; vergessen, ohne Halt für den Fuß, hängen und schweben sie, fern von den Menschen.
Man zerwühlt wie Feuer unten die Erde, auf der doch oben das Brot wächst. Man findet Saphir in ihrem Gestein, und es birgt Goldstaub.
Den Steig dahin hat kein Geier erkannt und kein Falkenauge gesehen.
Das stolze Wild hat ihn nicht betreten, und kein Löwe ist darauf gegangen. Auch legt man die Hand an die Felsen und gräbt die Berge von Grund aus um. Man bricht Stollen durch die Felsen, und alles, was kostbar ist, sieht das Auge. Man wehrt dem Tröpfeln des Wassers und bringt, was verborgen ist, ans Licht.
Wo will man aber die Weisheit finden? Und wo ist die Stätte der Einsicht? Niemand weiß, was sie wert ist, und sie wird nicht gefunden im Lande der Lebendigen.
Die Tiefe spricht: „In mir ist sie nicht“; und das Meer spricht: „Bei mir ist sie auch nicht.“
Woher kommt denn die Weisheit? Und wo ist die Stätte der Einsicht? Sie ist verhüllt vor den Augen aller Lebendigen, auch verborgen den Vögeln unter dem Himmel. Der Abgrund und der Tod sprechen: „Wir haben mit unsern Ohren nur ein Gerücht von ihr gehört.“ Gott weiß den Weg zu ihr, er allein kennt ihre Stätte.
Denn er sieht die Enden der Erde und schaut alles, was unter dem Himmel ist. Als er dem Wind sein Gewicht gegeben und dem Wasser sein Maß gesetzt, als er dem Regen ein Gesetz gegeben hat und dem Blitz und Donner den Weg: damals schon sah er sie und verkündigte sie, bereitete sie und ergründete sie und sprach zum Menschen: Siehe, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit, und meiden das Böse, das ist Einsicht.
Predigt von padeluun
Fühlen Sie sich wohl? Ich meine jetzt nicht die täglichen kleinen Misslichkeiten: ein Zwicken hier, ein wenig Liebeskummer da. Wenn ich Sie frage, ob Sie sich wohlfühlen, meine ich was ganz Anderes.
Ich persönlich kenne eine ganze Menge Menschen, die haben da so ein komisches Gefühl in der Magengrube. Ein Gefühl, das sie gar nicht so richtig artikulieren können. „Ach egal“, sagen wir uns oft, „Was soll mir schon passieren? Ich habe doch gar keine wichtigen Geheimnisse, nichts zu verbergen.“ Und doch ist da dieses seltsame Gefühl. Zum Beispiel am Telefon, soll ich meiner Enkelin am Telefon sagen: „Ich hab dich lieb.“? Das ist ja eigentlich gar nicht geheim, das ist nicht besonders wichtig für andere. Aber es geht auch niemand anderen etwas an. Sie brüllen ja auch nicht im Bus lauthals ins Handy: „Hallo Enkelin, ich hab dich lieb!“ Denn das ist etwas was nur Sie beide angeht, Sie und Ihre Enkelin. Sie möchten doch sicherlich nicht, dass heimliche Lauscher das mitbekommen.
Ich möchte keine heimlichen Lauscher in meinem Telefon.
Und doch werden seit Anfang Januar letzten Jahres alle Verbindungsdaten von Telefon- und Internetverbindungen aufgezeichnet. Also, wenn Sie telefonieren, nimmt es ein Rechner auf – nicht das Gespräch, sondern dass Sie telefonieren, mit wem Sie telefonieren, wie lange und von wo aus Sie telefonieren. Ein Rechner speichert das für mindestens ein halbes Jahr. Das heißt „Vorratsdatenspeicherung“.
Aber ich will nicht überwacht werden. Ich bin nämlich ein ganz unbescholtener Mensch und ich habe nichts Illegales im Sinn. Und deswegen will ich auch nicht überwacht werden.
Kürzlich war ein freundlicher Herr am Telefon, der hat mich Nachmittags, kurz nachdem ich aus dem Büro kam, angerufen. Er kannte sich ziemlich gut aus mit meiner Familie und meinte es nur gut. Er sagte, dass wir da so Probleme hätten, mit unserem Versicherungsvertrag. Wir sind unterversichert. Und da ist eine Versicherungslücke über Hausrat und Haftpflicht. Mit einem ein wenig teureren Vertrag könnten wir das dann ausgleichen. Aber warum wusste er soviel über mich und meine Familie? Firmen und auch die Politik wandeln auf ganz gefährlichen Wegen.
Um Wartungsverträge zu verkaufen, die monatlich Geld einbringen, ohne, dass sie dafür etwas leisten müssen, und um Gebühren für Datenleitungen zu kassieren, jubeln sie unsägliche Technik hoch und verkaufen zum Beispiel Videoüberwachung und Einbruchmeldeanlagen an Kommunen und an Privatbesitzer von Häusern.
Obwohl die Kriminalistik und jeder Kriminalbeamte uns sagen wird: "Eine Einbruchmeldeanlage nutzt gar nichts." Was man sicherstellen muss, ist, dass ein Täter gar nicht erst ins Haus kommt. In den Medien werden trotz sinkender Kriminalitätszahlen einzelne schlimme Fälle so aufgebauscht, dass wir gerade zu freiwillig bereit zu sein scheinen, die Errungenschaften von Demokratie und die Errungenschaften eines Rechtsstaates komplett über Bord zu werfen. Wir neigen dazu dem – ich nenne das immer „populistischen Geschwätz“ – von mehr Sicherheit zu glauben. Also wir neigen dazu dem populistischen Geschwätz, (wenn uns jemand sagt wir brauchen mehr Sicherheit) von mehr Sicherheit zu glauben. Statt den Wissenschaftlern, die sich wirklich mit dem Thema auskennen, zuzuhören. Klingt kompliziert, ist scheinbar nicht so einfach.
Aber wir könnten uns auch selbst fragen, einmal in uns hinein hören: Leben wir nicht in einem der sichersten Länder der Erde? – Ja. Muss ich dann ganz persönlich Angst vor einem terroristischen Anschlag haben? (padeluun adressiert gezielt Personen in der Zuhörerschaft) Sie? Sie? Nein? – Nein. Was soll also diese ganze Überwachungsfrage, mit der wir uns immer mehr auseinandersetzen müssen? Diese Überwachungspakete, die geschnürt werden, statt Sozialpakete für Arbeitslose? Warum lassen wir so etwas wie Vorratsdatenspeicherung zu? Warum schreien wir nicht auf, wenn das Trennungsgebot von Geheimdienst und Polizei aufgelöst wird? Wenn so etwas auf uns zu kommt, wie das BKA-Gesetz, in dem eine unglaubliche Macht einer zentralen Stellen übergeben wird? Warum lassen wir das zu? Warum stehen wir nicht auf und protestieren laut gegen diese Hybris der Poltitik, die anscheinend allwissend werden möchte? Warum lassen wir es zu, wenn unsere Rechte ausgehebelt werden, damit der ehemalige Innenminister Otto Schily bei gleich zwei RFID-herstellenden Firmen im Aufsichtsrat sitzen kann? Dass wir in unseren Reisepässen und demnächst in unseren Personalausweisen einen RFID-Chip haben müssen? Das hat keinen Sinn, außer, dass die Bundesdruckerei Geld verdient. Es gibt keinen sicherheitsrelevanten Grund für diesen Chip, im Gegenteil; diese Chips machen die Ausweise unsicher, weil sie ortbar sind.
Wissen sie, wann ich zum ersten Mal zu dem Thema Datenschutz gekommen bin? Wann ich das erste Mal richtig das Gefühl hatte, dass wir uns mit diesem Thema in einer digitalen vernetzten Welt beschäftigen müssen; und zwar intensiv beschäftigen müssen? Das war so etwa 1989 oder 1990 – ich weiß es nicht mehr so genau – Ich arbeitete damals mit einem Vorläufer dessen, was man heute Internet nennt. Es hieß „Mailbox“. Das war ein ganz normaler Computer, und diesen konnten Menschen mit ihren Computern anrufen und Nachrichten für andere Menschen hinterlassen. Eine „E-Mail“ – nennt man das heute. Diese Mailbox zeigte übrigens alles, was jemand schrieb, direkt auf dem Monitor an.
Der Computer stand in meinem Hausflur – ich musste immer nachsehen, ob er noch lief, denn er stürzte damals immer ab – und wenn ich dann darauf guckte, sah ich eben, was passierte.
Bei so einem Kontrollblick sah ich eines Tages, dass sich gerade Peter – ein sehr guter Freund von mir, Programmierer von Beruf – eingeloggt hatte und begann eine Nachricht zu schreiben; an Monika. Da durchfuhr es mich: „Na, zwischen den beiden läuft doch 'was.“
Und wenige Sekunden später meldete sich mein Gewissen und sagte: „Das geht dich aber gar nichts an. Wenn sich zwischen den beiden etwas anbahnt, hast du das entweder von ihr oder von ihm zu erfahren. Aber nicht dadurch, dass du auf dem Rechner siehst, dass er ihr eine Mail schreibt.“ Mir war sofort klar, dass mich das überhaupt nichts angeht.
Und überall im Land gab es solche Systeme, wo Leute zuschauen konnten, was andere schrieben. Doch die meisten Leute, die es genutzt haben, wussten nicht, dass dort jemand zuschauen kann. In einer digitalen vernetzten Welt sind Sachen anders geworden. Heute gibt es nicht mehr ausschließlich den Briefumschlag, in den man ein Blatt Papier hinein legt, ihn zuklebt und der dann – von Gesetzen geschützt – transportiert wird. Mir wurde schlagartig klar, dass wir Menschen vor der Technik sowie den Technikern, den Systemhausmeistern und unseren Vorgesetzten schützen müssen.
Im Fall von Peter und Monika war es nun sehr einfach. Mein Freund Peter ist, wie ich schon sagte, Programmierer. Und so zwang ich ihn quasi, Datenschutz in die Software einzubauen. Ich erzählte ihm von dem Vorfall, dass ich das Gespräch von ihm und Monika mitbekommen hatte, und schnell war er sehr, sehr, sehr engagiert, dafür zu sorgen, dass ich nicht mehr mitlesen kann. Im Feld, in dem man tippte, wurden fortan nur noch Sternchen ausgegeben.
Das war ganz einfach: vier Zeilen Programmcode.
Ich kann Ihnen dazu kurz sagen, wir haben später eine Firma gegründet und diese datenschutzfreundliche Software angeboten, mit noch weiteren Möglichkeiten. Dort war dann eine richtige Verschlüsselung eingebaut. Doch das war kein gutes Verkaufskonzept. Die meisten Leute haben lieber die Software gekauft, wo die Datenübermittlung nicht so sicher war.
Unsere Software hat sich nicht durchgesetzt. Heute haben wir das Internet. In dem können sehr viele Leute, an sehr vielen Stellen einfach mitlesen. Im Grunde genommen ist in all unseren Datenleitungen eine Art Stasi eingebaut.
Politik und Industrie machen sich die Unwissenheit der Öffentlichkeit zu Nutze. Und bauen momentan an einem Datensammelprojekt nach dem anderen. Wenn ich einmal aufzähle: Das Mautsystem, diese komischen Teile über den Autobahnen, die jedes Autokennzeichen erst einmal aufnehmen können. Die Gesundheitskarte: Die Daten der Gesundheitskarten werden ersteinmal zentral erfasst. Und klar, wird gesagt, kommen an diese Daten nur die berechtigten Leute heran. Doch überall dort, wo Daten zentral erfasst sind, gibt es auch Übergriffe. Denken Sie an den Fall der Telekom. Viele Daten waren zentral in den Händen der Telekom und die obersten Leute der Telekom haben darin herum gewühlt und darin herumgeschnüffelt, um ihre eigenen Interessen, z.B. gegen Gewerkschaften, durchzusetzen.
Und ich glaube, das ist der Punkt, an dem wir Bürgerinnen und Bürger aufstehen müssen, uns versammeln müssen, um laut unsere Grundrechte einzufordern. Sonst ändert sich nichts in diesem Jahr 2009, in dem Europawahl, Bundestags- und Kommunalwahlen sind. Allwissend soll die Politik niemals über Menschen sein, unser Grundgesetz ist dafür errichtet worden – damals unter dem Eindruck dieses schrecklichen Krieges, mit dem Menschenvernichtung einher ging – dass Bürgerinnen und Bürger den Staat immer abwehren können. Das gesamte Strafgesetzbuch ist dafür da, um zu regeln, was der Staat darf, wie viel Zugriff er auf die Menschen haben darf - und wie viel auch nicht.
Manchmal ist es so, dass wir uns bei einigen Sachen wünschen, härter durchgreifen zu können. So etwas kommt immer gut an beim Volk. Tatsächlich ist das in einer rechtsstaatlichen Gesellschaft nicht bewusst nicht gewünscht, denn härter durchzugreifen bedeutet auch, Fehler zu machen. Fehlerhaft über Menschen zu urteilen, die, öfter als man denkt, unschuldig sind. Allwissend, das erlaube ich mir hier in der Martinskirche zu sagen, ist eben nur Gott. Und Gott petzt nicht, darauf können wir setzen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, er bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unserem Herrn. Amen.
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Bild Sun in Bilene: Meraj Chhaya auf flickr.com, (CC BY 2.0)