Überwachungsskandal: BND und NSA beschatten EU und Frankreich

Wie das investigative Ressort von SZ, NDR und WDR berichtet, haben der US-Geheimdienst NSA und der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) gemeinsam von Bad Aibling aus Ziele in Europa ausspioniert. Unter anderem wurde das französische Außenministerium, der Élysée-Palast, die EU-Kommission und die Firmen EADS und Eurocopter überwacht.
Im Zeitraum von 2002 bis 2013 wurden laut der Süddeutschen Zeitung 690.000 Telefonnummern, 7,8 Millionen IP-Adressen und Ziele hinter 40.000 Suchbegriffen ausspioniert.

Politik- und Wirtschaftsspionage

Der BND und die Abhörstation im bayerischen Bad Aibling werden für Spionage innerhalb der Europäischen Union „missbraucht“, wie Süddeutsche und Zeit kommentieren. Aus Sicht von Digitalcourage erweckt diese Darstellung den Eindruck, als wäre der BND passiv und unschuldig. Das Gegenteil ist der Fall: BND und NSA arbeiten seit Jahren zusammen. Digitalcourage Gründungsvorstand padeluun sagt:

Wir müssen davon ausgehen, dass alle Personen und Organisationen flächendeckend von Geheimdiensten überwacht werden. An einigen Stellen ist das nachweisbar, in den allermeisten Fällen ist es zumindest noch nicht nachweisbar.

Welche europäischen und deutschen Unternehmen betroffen sind und welche Ausmaße die Wirtschaftsspionage durch NSA und BND hat, ist unklar, auch weil systematisch Dokumente zurückgehalten werden.

Kanzlerinnenamt war informiert und handelte nicht

Bereits seit 2008 sind dem Kanzlerinnenamt die Spionage-Aktivitäten des BND gegen Ziele in Europa bekannt. BigBrotherAwards-Preisträger und Bundesinnenminister Thomas de Maizière wurde über die Spionage informiert, unternahm aber nichts. Verantwortlich für die Aufsicht über die deutschen Geheimdienste ist, neben Kanzlerin Merkel selbst, auch Kanzlerinnenamtsminister Peter Altmaier (CDU), der ebenfalls untätig blieb. Die Linke wollte mit einer parlamentarischen Anfrage herausfinden, ob die Bundesregierung Hinweise hat, dass BND und NSA in Deutschland die Wirtschaft ausspionieren. In einer Pressekonferenz am 14. April wurde mitgeteilt, dass es dazu keine konkreten Erkenntnisse gibt, allerdings war die Regierung zu diesem Zeitpunkt bereits informiert. Kurzum: Die Bundestagsabgeordneten wurden belogen. Am Mittwoch, 6. Mai 2015 wird Thomas de Maizière im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages (PKGr) zur Spionage durch den BND aussagen.

Verschleierung: Aufklärung nicht erwünscht

Zeit.de berichtet, dass das Kanzlerinnenamt dem Parlament BND-Unterlagen übergab, in denen allerdings die Suchbegriffe fehlen, mit denen BND und NSA Ziele überwacht haben. Wie sueddeutsche.de schreibt, wurde die Spionagepraxis angeblich geändert: „Mails mit der Endung .eu etwa werden heute automatisch für die Erfassung gesperrt.“ In Anbetracht der aktuellen Spionage-Affäre und der blockierenden Rolle des BND im NSA-Untersuchungsausschuss, gibt es jedoch keine Grundlage, den Aussagen des Geheimdienstes zu vertrauen.

Erheblicher Schaden für Demokratie

Der Angerichtete Schaden ist fatal. Die Bundesregierung verspielt ihre letzte Glaubwürdigkeit. Demokratie, die auf Vertrauen der Wähler.innen basiert, wird hier in ihren Grundfesten untergraben. Angela Merkel und ihr Regierungsteam kommen nicht nur ihrem Schutzauftrag nicht nach, sie machen sich massiv mitschuldig an der wachsenden Politikverdrossenheit. Der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt trat 1974 unter anderem wegen seiner Mitschuld an der Guillaume-Affäre von seinem Amt zurück - zwei Wochen nach der Enttarnung eines seiner engsten Mitarbeiter, Günter Guillaume, als DDR-Agenten. Für solches politisches Rückgrat fehlt Kanzlerin Merkel offensichtlich die Integrität. Seit mittlerweile sieben Jahren lässt sie alle Vorwürfe im Überwachungsskandal an sich abperlen.

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Foto: novofotoo: "Radome in Bad Aibling" Lizenz: CC BY NC 2.0


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