Patientendaten - Medizin muss im Vordergrund stehen
Es wird versucht die Elektronischen Gesundheitskarte (eGK) zum 1. Januar 2015 einzuführen. Weil es viel Kritik und Unklarheit gibt, lud das Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem (afgis) zum Workshop mit dem Titel ein: „Alle wollen nur das Eine! - Der zweifelhafte Umgang mit Patientendaten“. Etwa 25 Teilnehmer.innen von Krankenkassen, aus der Ärzteschaft, dem Datenschutz und der Informatik diskutierten den Umgang mit Patientendaten.
Wir haben den 90 minütigen Workshop kurz zusammengefasst:
Das "Daten-Ich" im Gesundheitssystem
Florentine Fritzen aus der Politik-Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung war auf den Spuren ihres persönlichen Datenabdrucks im Gesundheitssystem unterwegs und berichtete von den Recherchen zu ihrem Artikel „Ava und ich“ (FAS vom 2. März 2014).
„Ava“ ist ihr „Daten“-Avatar und hat in vielen Bereichen eine (überraschende?) Ähnlichkeit zu ihr selbst, aber nicht in allen. Im Artikel schreibt Florentine Fritzen: „Wie jeder Versicherte habe ich das Recht auf Einsicht in meine Daten. Doch nur wenige stellen solche Anträge; auch nach den Enthüllungen über Big Data sind es kaum mehr geworden.“
Auch persönliche nicht-gesundheitsrelevanten Daten aus Notizen, die Ärzt.innen zu Florentine Fritzens Leben gemacht haben begegnen ihr. Vor allem aber spricht „Daten“-Avatar Ava eine andere Sprache und muss von Ärzt.innen und Krankenkassenmitarbeiter.innen aus der Fachsprache und Abkürzungen übersetzt werden.
Grundsatzkritik am eGK-Projekt
padeluun von Digitalcourage erklärte, warum die eGK problematisch ist, aber nur sehr schwer in der Öffentlichkeit kritisiert werden kann: Das Datenschutz- und Datensicherheits-Konzept hinter der eGK (Folien zur Übersicht von Thilo Weichert vom Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein) ist fundiert, aber erst mit der zukünftigen Anwendung werden die großen Probleme sichtbar. Es ist noch nicht abzusehen, welche Folgen die Anwendungen der eGK für die Versorgung und Solidarität im Gesundheitssystem haben werden. Gegenwärtig bezieht sich die Kritik am eGK-Projekt auf die zwangsweise Einführung und die Vermessung von Menschen durch Medizindaten.
Grotesk ist es außerdem, dass für dieses IT-Großprojekt immense Summen ausgegeben werden, während für die mediziniesche Versorgung an vielen Stellen Geld und Personal fehlt.
Digitalcourage befürchtet, dass es zu einer Kommerzialisierung des Gesundheitssystems, sowie zur medizinischen Überwachung und Diskriminierung von Versicherten kommt. Die eGK ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Kritisch zu sehen sind beispielsweise „Health-Apps“ und persönliche Krankenkassen-Tarife, in denen persönliche Krankheits-Risiken zu Ungleichbehandlung führen und so den Solidaritätsgedanken von Krankenversicherungen immer weiter aufweichen.
Ebenfalls ist eine zentrale Infrastruktur anfälliger für gezielte Manipulation oder auch einfach Stromausfälle. [aktualisiert: 20.01.2015 - doppelter Satz entfernt]
Wie viel Akte braucht der Mensch?
Zum Abschluss des Workshops stellte Thomas Königsmann von der eBusiness-Plattform Gesundheitswesen die Frage „Wie viel "Akte" braucht der Mensch?“ und präsentierte den aktuellen Stand zu unterschiedlichen Umgang mit Patient.innen-Daten und -Akten. Er stellte die unterschiedlichen Formen der derzeit gebräuchlichen elektronischen Akten und ihre Funktionen sowie Anwendungsgebiete vor. Es gibt die ePA, die EFA, die eEPA und die PEPA. Aber auch die Industrie bietet Alternativen, wie etwa Vita-X von CGM oder HealthVault von Microsoft.
Bevor eine Akte angelegt werden kann muss rechtlich erst eine Zustimmung eingeholt werden, denn: Es ist verboten personenbezogene Daten ohne die Einwilligung des/der Betroffenen zu erheben, verarbeiten und zu nutzen – das nennt sich "Verbot mit Erlaubnisvorbehalt".
Die verschiedenen Formen von elektronischen Krankenakten unterscheiden sich in den Punkten Datenschutz und -sicherheit, Datenhoheit sowie den TeilnehmerInnen (Hausarzt/Hausärztin, Krankenhaus, stationäre Pflegeeinrichtung, ambulanter Pflegedienst etc.). PatientInnenakten dienen in erster Linie der Dokumentation und Kommunikation zwischen verschiedenen Parteien und der Vermeidung von Fehlern. So können beispielsweise unerwünschte Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medikamenten vermieden werden, da die behandelnden ÄrztInnen wissen, welche Medikamente der Patient oder die Patientin einnimmt. Viele Daten in Patientenakten sind erklärungsbedürftig und auch die Selbstverwaltung durch die Patienten selbst birgt Risiken, wenn etwa eigene Einschätzungen zur Relevanz von Daten gemacht und Löschungen aufgrund falscher Annahmen vorgenommen werden.
Thomas Königsmann sieht die Notwendigkeit für elektronische Kommunikation in der Medizin, warnt aber gleichzeitig davor, dass sich Lösungen etablieren, die nicht offen sind, die nicht reglementiert sind und die am Gesundheitswesen vorbei gehen.
Zum Abschluss
Der Workshop zeigt, dass im Bereich Gesundheits- und Patientendaten viel Unklarheit und Unsicherheit, auch beispielsweise seitens der Krankenkassen, besteht. Viele Patient.innen wissen auch nicht, dass sie ein Recht auf die Einsicht in ihre Patient.innenunterlagen haben und die Handhabe dessen ist auch in vielen Arztpraxen zweifelhaft. Die Vorträge gaben Impulse und neue Denkanstöße, was im Gesundheitssystem noch alles im Dialog mit Ärzt.innen, Krankenkassen und Patient.innen angesprochen und geklärt werden muss. Vor allem muss es regulierte und transparente Verfahren und Anwendungen geben.
Autorin: Sarah Dörpinghaus Bild: Digitalcourage CC BY SA 3.0
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