Das FIfF hat den Geheimdiensten unter den Teppich geschaut
Am vergangenen Wochenende traf sich das Forum Informatikerinnen und Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung, kurz FIfF, zur Jahrestagung. Das Motto: Der Fall des Geheimen. Die Aufgabe: Mal unter den eigenen Teppich der Geheimdienste zu schauen.
Zahlreiche Rednerinnen und Redner, darunter Wolfgang Coy, Anne Roth und Peter Schaar, sowie aus dem Geheimdienstuntersuchungsausschuss Patrick Sensburg und Hans-Christian Ströbele, halfen am vergangenen Freitag und Samstag in der TU Berlin mit, etwas Licht ins Dunkel des deutschen Geheimdienstapparates zu bringen. Wer es verpasst hat, kann sich die Vorträge auch noch einmal komplett anschauen.
Spionage-Völkerrecht gefordert
Wolfgang Coy, emeritierter Informatikprofessor, spannte zunächst noch den globalen Bogen und forderte ein Spionage-Völkerrecht und ein globales No-Spy-Abkommen. Einzelstaatliche Forderungen seien nur wenig zielführend und vielmehr Augenwischerei. Daran müsse dann natürlich auch ein Whistleblowerschutz geknüpft sein. Wichtig, so gab er in der anschließenden Diskussion seiner Hoffnung Ausdruck, sei der Druck gesellschaftlicher Gruppen. Stärkere Gesetze gegen Überwachung könne man nicht vom BND erwarten, die müssten vielmehr von gesellschaftlichen Gruppen kommen.
Strafanzeigen und Klagen
Constanze Kurz vom Chaos Computer Club warf einen Blick zurück auf die anderthalb Jahre seit den ersten Snowden-Enthüllungen und legte den Fokus auch auf die offensiven und manipulativen Fähigkeiten der NSA, des GHCQ und des BND. Ob nun abgehörte G20-Gipfel, Infiltrierung von Sicherheitsfirmen oder abgefangenen Laptoplieferungen: Die Ausrede der Geheimdienste, das sei alles nur für die Terrorabwehr, sei überhaupt nicht glaubwürdig. Auch das White House Panel zur Überprüfung der Geheimdienstaktivitäten habe ähnliche Resultate gebracht, immerhin seien die Metadaten, ein Lieblingssammelobjekt der NSA, "only a modest contribution to the nations security".
Hoffnung setzte Kurz in die juristische Aufarbeitung, unter anderem auch in die von uns, der Internationalen Liga für Menschenrechte und dem CCC gestellten Strafanzeige. Allerdings, seien auch die Strafanzeigen und Gerichtsverfahren in politische Prozesse eingebettet. Eine Folge ist immerhin, dass Großbritannien jetzt diskutiere, ob man dort die Europäische Menschenrechtskonvention verlassen müsse, wenn es zu einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gegen die Überwachungsmethoden kommt. Dieser wäre dann wohl ein sehr entlarvender Schritt der britischen Regierung. Und so forderte Kurz zum Schluss, den politischen Prozess weiter zu begleiten: "Wir müssen aus den Urteilen was machen!"
Kontrolle eine Farce
Wolfgang Nescovic, ehemaliger Vertreter für die Linke im parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste, referierte über das Elend der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste und zog ein desillusioniertes Fazit seiner Kontrollarbeit: Die parlamentarische Kontrolle ist ein Placebo. Wenn man sie möglichst ineffektiv gestalten wollte, müsste man sie genau so gestalten, wie sie gerade ist." Er blieb dennoch im Ausschaus, aus Optimismus und getreu dem Prinzip Hoffnung. Aber Nescovic, selbst ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, verzweifelte dennoch das ein oder andere Mal an den unklar und unsinnig formulierten Gesetzen, hinter denen er starke Lobbyarbeit sah.
Auch er forderte einen effektiven Whistlelblowerschutz und mehr Befugnisse für das Kontrollgremium. Derzeit erinnere dieses zu sehr an einen Prozess, bei dem der Angeklagte entscheidet, welche Beweise aufgenommen werden. Dabei müsse alles kontrolliert werden können: "Es darf nicht sein, dass ein BND-Mitarbeiter mehr wissen darf als ein Abgeordneter!"
Terror, überall Terror?
Anne Roth, Mitarbeitern von Martina Renner im Geheimdienstuntersuchungsausschuss, analysierte den Terrorismus-Begriff als trojanisches Pferd, da mit diesem Legitimation für mehr Überwachung eingeschleust werde in öffentliche Diskussionen. Interessanterweise gebe es nämlich gar keine gültige Terrorismus-Definition, vielmehr werde der Begriff immer vorausgesetzt. So haben die Vereinten Nationen zwar eine eigene Webseite zum Thema Terrorismus, aber ebenso wenig eine Definition. Auch die schrittweise Ausweitung des Paragraphen 129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) und die Einführung des Paragraphen 129a im Strafgesetzbuch müssen laut Roth im Kontext der allgemeinen Terrormanie analysiert werden. Denn steht der Begriff Terror einmal im Raum, lässt sich die komplette Palette der Überwachung lostreten. Dabei ist für die Politologin klar, dass solche Begriffe auch immer einer Konjunktur unterliegen. Was nach dem 11. September 2001 der Terror war, könnte schon bald der "Hass" sein, der neuerdings für die Einführung schärferer Gesetze herhalten müsse.
Das vollständige Programm und die sehenswerten Talks gibt es auf der Seite der FIfFKon. Außerdem nutzte das FIfF die Gelegenheit, die von der Stiftung bridge geförderte Kampagne Cyberpeace vorzustellen. Damit soll das Internet wieder komplett demokratisch kontrolliert werden und jegliche Form von Cyberwarfare geächtet werden.
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