Fünf-Minuten-Info: Keine Überwachung am Arbeitsplatz
Die Bespitzelungen von Mitarbeiter/innen durch Unternehmen beschäftigen seit Jahren die Arbeitsgerichte. Die Liste dieser Unternehmen ist lang: Lidl, Schlecker, die Deutsche Bahn und Aldi sind nur einige prominente Namen darauf. Die Politik versprach zügige Abhilfe.
Aber das Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz, das die schwarz-gelbe Koalition jetzt im zweiten Anlauf durch den Bundestag bringen will, hat seinen Namen nicht verdient: Mit dem Scheinargument, etwas gegen heimliche Videoüberwachung unternehmen zu wollen, präsentiert die Bundesregierung einen Schreckenskatalog, der die Rechte von Beschäftigten massiv einschränkt, die Zugriffsmöglichkeiten auf ihre Daten ausweitet und von staatlichen Datenschutzbehörden (BFDI, Datenschutzzentrum), Gewerkschaften und Bürgerrechtler/innen scharf kritisiert wird.
Und diese Kritik ist nicht neu: Der vorgelegte Entwurf stammt mit wenigen Änderungen aus dem Jahre 2010, fiel schon damals bei Datenschützer/innen und Fachleuten durch und verschwand daraufhin für zwei Jahre in der Schublade. Nun ist er im Eiltempo durch kleine Flickschustereien zur Beschlussfassung fertig gemacht worden und soll schon am 1. Februar zur Abstimmung in den Bundestag gebracht werden.
Das gilt es zu verhindern: Unterschreiben Sie unseren Appell.
Beschäftigtendatenschutz ist mehr als Schutz vor Videoüberwachung
Die Regierungskoalition versucht ihren Gesetzesentwurf als Verbesserung zu verkaufen, weil er heimliche Videoüberwachung wie im "Fall Lidl" zukünftig verbietet. Sie verschweigt aber, dass er gleichzeitig für viele Situationen der Möglichkeit zu offener Videoüberwachung Tür und Tor öffnet. Die hierfür definierten "zulässigen Zwecke" lesen sich wie eine Wunschliste von Arbeitgeber/innen. Um Beschäftigte wirksam vor Missbrauch zu schützen, wären wesentlich klarere Vorschriften nötig: So beispielsweise das Verbot einer Dauerüberwachung am Arbeitsplatz oder die Begrenzung von Aufnahmegegenständen, von Aufzeichnungsdauer oder schlicht der erlaubten Verwendung.
Bereits in der Vergangenheit waren Gerichte in dieser Frage verständiger als der Gesetzgeber. Gegen permanente Videoüberwachung von Beschäftigten hat es schon einschlägige Urteile gegeben.
So wurde etwa der Deutschen Post AG vom Arbeitsgericht Erfurt untersagt, ihre Beschäftigten im Verteilzentrum ohne Unterbrechung überwachen zu lassen und dem Betriebsrat Recht gegeben. Nun will Schwarz-Gelb diese Überwachungsmethoden zum Standard erklären.
Falsch gesetzte Schwerpunkte
Aber Videoüberwachung ist nur einer der Angriffe auf die Rechte von Beschäftigten. Das Gesetz ermöglicht zahlreiche weitere Überwachungsmaßnahmen ohne dabei ausreichende Schutzvorschriften für Beschäftigte zu ergänzen. Zukünftig sollen Unternehmen bei konkretem Verdacht auf eine Straftat Beschäftigtendaten in einem zweistufigen Verfahren analysieren dürfen. Dabei soll zunächst automatisiert und ohne Personenbezug nach bestimmten "verdächtigen Mustern" in vorhandenen Dateien gesucht werden. Dieses Screening kann theoretisch alle Arten von Beschäftigtendaten betreffen: Nutzungsprotokolle, Stempelzeiten, Personalstammdaten usw. Ergibt sich hieraus ein konkreter Verdacht, dürfte der Personenbezug nachträglich hergestellt werden.
Schwammige Formulierungen entwerten dieses eigentlich datensparsame Verfahren und billigen Unternehmensleitungen dadurch umfassende Ermittlungskompetenzen zu. Auch hier fehlen ausreichende Schutzmechanismen: Etwa konkrete Begrenzungsregeln, mit deren Hilfe die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden kann und die zum Beispiel den Übergabezeitpunkt an Ermittlungsbehörden festschreiben. Um Beschäftigte schützen zu können, müsste außerdem die Arbeitnehmervertretung verbindlich und frühzeitig vor der Durchführung automatisierter Abgleiche informiert und beteiligt werden. Eine solche Konkretisierung wäre trotz der allgemeinen Mitbestimmung, der derartige Abgleiche unterliegen, dringend erforderlich.
Neben der Analyse bestehender Daten sollen Unternehmen außerdem bei Verdacht auf Straftaten zusätzliche Daten über Beschäftigte sammeln dürfen, ohne dass diese davon Kenntnis bekommen. Auch hier ist keine ausreichende Beteiligung von Betriebs- oder Personalräten vorgesehen, obwohl diese Fälle den Grundsatz der "Erhebung beim Betroffenen" durchbrechen.
Insgesamt sucht man vergeblich ein Beweisverwertungsverbot zum Ausgleich für all diese weitgehenden Befugnisse von Arbeitgeber/innen. Sein Fehlen bedeutet, dass auch Daten, die unrechtmäßig erhoben oder ausgewertet wurden, theoretisch vor Gericht Verwendung finden könnten.
Es finden sich etliche weitere kritische Punkte:
So erleichtert der Gesetzesentwurf den Austausch von Beschäftigtendaten zwischen den einzelnen Unternehmen eines Konzerns und erfüllt damit einen Wunsch der Unternehmensverbände. Formuliert werden aber keine konkreten Zwecke oder Anlässe, zu denen das zulässig sein soll. Vielmehr sieht der Entwurf die Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Beschäftigten vor, die schon heute häufig misslingt und zu Auseinandersetzungen führt.
Dass darüber hinaus jede kleine Konzerntochter sicher stellen soll, dass die Konzernmutter die an sie übermittelten Beschäftigtendaten „nur für solche Zwecke speichert, ...zu denen sie übermittelt wurden“ lässt Datenschützer/innen angesichts zentraler Personalverwaltungssysteme allenfalls grinsen. Die Praxis sieht anders aus! Und auch wenn der Arbeitnehmervertretung in solchen Fällen theoretisch die gleiche Mitbestimmung zusteht wie bei der Verarbeitung im eigenen Hause, ist die Durchsetzung erfahrungsgemäß ungleich schwieriger.
Schon vor der Anstellung geht's los…
Bereits für die Bewerbungsphase weitet das Gesetz die Zugriffsmöglichkeiten auf persönliche Informationen von Bewerber/innen aus: Zukünftig sollen sie für bestimmte Tätigkeiten über Vermögenswerte und laufende Ermittlungsverfahren Auskunft geben. Die hierfür formulierte Voraussetzung (wesentliche und angemessene berufliche Anforderung) fordert willkürliche Interpretationen geradezu heraus. Außerdem bedeutet ein laufendes Ermittlungsverfahren noch lange nicht, dass es zur Anklageerhebung kommen, erst recht nicht, dass es einen Schuldspruch geben wird. Für ein Bewerbungsgespräch wird so die Unschuldsvermutung kurzerhand ausgehebelt.
Arbeitgeber/innen dürfen zukünftig außerdem Auskünfte bei früheren Arbeitgebern einholen, sofern die/der Betroffene einwilligt. Eine solche Einwilligung im Bewerbungsverfahren freiwillig zu nennen ist absurd. Auch der Bundesdatenschutzbeauftrage Peter Schaar weist darauf in seiner Pressemitteilung ausdrücklich hin.
Um dem Wunsch vieler Bewerber/innen nachzukommen, Referenzen früherer Arbeitgeber/innen aufzuführen, sollte der Kontakt mit früheren Arbeitgebern nur dann zulässig sein, wenn dies in der eigenen Bewerbung ursprünglich selbst aufgeführt war. Eine nachträgliche Einwilligung kann niemals freiwillig sein, ein Nachfragen des potenziellen Arbeitgebers daher unzulässig.
Ausweitung ärztlicher Untersuchungen
Sind bestimmte gesundheitliche Voraussetzungen für einen Arbeitsplatz nötig, dürfen Arbeitgeber/innen sowohl vor der Einstellung als auch bei Versetzung an diesen Arbeitsplatz eine ärztliche Untersuchung fordern. Auch hier gilt das Patientengeheimnis: Ärzt/innen dürfen Arbeitgeber/innen also niemals Diagnosen mitteilen, sondern nur, ob der/die Untersuchte für den fraglichen Arbeitsplatz geeignet ist oder nicht. Der Entwurfstext sieht nun vor, dass der/die Beschäftigte in die Untersuchung sowie in "die Weitergabe des Untersuchungsergebnisses" einwilligen muss. Dies ist doppelt fragwürdig: Erstens legt die Formulierung nahe, dass mehr als nur die Frage der Eignung mitgeteilt wird. Und zweitens kann eine Einwilligung in einer solchen Situation niemals freiwillig erfolgen.
Wenn eine Untersuchung nachweislich erforderlich ist, dann ist der Arbeitsvertrag an dem fraglichen Arbeitsplatz Grundlage und Beweis dafür. Eine Einwilligung nach dem Motto "doppelt genäht hält besser" ist irreführend und gaukelt dem/der betroffenen Beschäftigten eine Wahlmöglichkeit vor, die nicht besteht. Sie verführt Arbeitgeber/innen außerdem dazu, Gesundheitsprüfungen auch an Arbeitsplätzen durchzuführen, wo dies der Sache nach nicht erforderlich wäre. Dass hier Gefahren für die Persönlichkeitsrechte bestehen, lässt sich auch daran ablesen, dass das Bundesarbeitsgericht sich zu derartigen "Freiwilligkeiten im Arbeitsverhältnis" schon mehrfach kritisch geäußert hat.
Und was sonst noch fehlt – ein Klagerecht
Besonders bedauerlich ist es, dass erneut versäumt wurde, die Rolle von Arbeitnehmervertretungen zu schärfen. So wird Betriebs- und Personalräten noch immer keine Mitbestimmung bei der Bestellung von betrieblichen Datenschutzbeauftragten eingeräumt. Und auch auf das Klagerecht von Betriebs- und Personalräten hat man vergebens gehofft. Dabei zeigt die Erfahrung, dass einzelne Beschäftigte nur selten juristische Schritte unternehmen, selbst wenn ihre Rechte grob verletzt werden: zu groß ist die Angst vor Repressionen.
Keine Kosmetik, ein neuer Entwurf muss her
Die Kritikpunkte sind so zahlreich, dass sie hier nicht alle dargestellt werden können. Teilweise verstecken sich negative Effekte für den Datenschutz auch nur in kleinen Detailregelungen. Ein solches Gesetz kann kaum jemand verstehen - und leider meist auch diejenigen nicht, zu deren angeblichem Schutz es entworfen wurde. Es kann daher nur eine Forderung geben: Dieses Gesetz muss zurückgewiesen werden. Was wir brauchen, ist ein grundsätzlich erarbeitetes Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz, an dem Experten und Expertinnen beteiligt werden und das seinen Namen verdient.
(Bild: Dennis Romberg, cc-by)