RFID-Konferenz "Towards the Internet of Things" - nur eine weitere Lobby-Veranstaltung
Auf der Konferenz "Towards the Internet of Things" zum Thema RFID am 25. und 26. Juni 2007 in Berlin haben das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und die Europäische Kommission sich anscheinend als "Komplizen der Wirtschaft" geoutet. Sie haben einen weiteren großen Schritt in Richtung einer technologischen Objektivierung des Menschen gemacht. Der Titel der Veranstaltung "Internet der Dinge" drückt schon aus, was im Mittelpunkt dieser Konferenz stand, und was nicht: Während die Teilnehmer die Technik glorifizieren, behandelten sie deren Auswirkungen auf die Privatsphäre der Menschen als Nebensache.
Bei RFID handelt es sich um winzige Funk-Chips, die die auf ihnen enthaltenen Informationen an spezielle Lesegeräte senden. Wie aus der offiziellen Presse-Erklärung der Konferenz zu entnehmen ist, erhoffen sich Unternehmen von der Technik "effizientere, transparentere, schnellere und kostengünstigere Produktionsabläufe". Werden diese jedoch in Kundenkarten und auf Produkten versteckt, ermöglichen sie es Firmen die Gewohnheiten von unwissenden Kunden und ihre Bewegungen in Geschäften zu erfassen und zu kontrollieren. So können die Unternehmen zum Beispiel erkennen, bei welchem Regal sich ein ahnungsloser Kunde wie lange aufgehalten oder welches Produkt er gekauft hat. Gekoppelt mit den persönlichen Daten der Kunden, hätten die Firmen Zugriff auf eine Fülle von Informationen, die sie unbegrenzt ausnutzen könnten zum Beispiel durch die Ausrichtung von Werbung an einem individuellen Kundenprofil. Auch Preisdiskriminierung (unterschiedliche Preise für das gleiche Produkt) sind in Marketingstudien bereits angedacht.
Im Abschlusspapier der Konferenz werden auf vielen Seiten die möglichen Einsatzgebiete von RFID aufgelistet und viele Worte über weitere zukünftige technologische Weiterentwicklungen der Chips verloren. Doch obwohl auch das Wort Privatsphäre ("Privacy") 53 mal im Text vorkommt, finden sich nur wenig Beispiele für durchgreifende Maßnahmen, die die Privatsphäre schützen könnten. Stattdessen pocht das Papier auf den Dialog zwischen Bürgern, Regierung und Wirtschaft, sowie Rahmenrichtlinien und erwähnt ansonsten nur, dass
Datenschutzgesetze vielleicht aktualisiert werden müssen um einen Rahmen zu bieten für neue Anwendungen die (automatisierte) Datensammlung und Datenverarbeitung zur Regel machen.
Durch die Erklärung, dass "sich der Großteil heutiger RFID-Anwendungen nicht auf den Endverbraucher" beziehen würde, wird der erhebliche Eingriff in das Privatleben, den RFID gerade für den Endverbraucher darstellt, heruntergespielt. Da aber anzunehmen ist, dass die Unternehmen ‑ allen gesellschaftlichen Kosten zum Trotz ‑ versuchen werden, den vollen Nutzen aus den versprochenen Vorteilen der Technik zu ziehen, ist der Konferenzbeschluss, die Regelung von RFID zunächst durch "Instrumente der Selbstregulierung" zu erproben, absolut unverständlich und verantwortungslos. Mit der fadenscheinigen Begründung, dass Deutschland im technologischen Wettbewerb zurückzufallen drohe, versuchen die Staatssekretäre Hintze und Pfaffenbach des Ministeriums für Wirtschaft und Technologie in einer offiziellen Presseerklärung Druck für eine baldige Einführung von RFID, ohne die Notwendigkeit von sinnvollen und klaren gesetzlichen Einschränkungen zu berücksichtigen, auszuüben.
Wenn wir wirklich in einer Welt "der Dinge" leben würden, könnten solche vagen Formulierungen vielleicht genügen. In Wirklichkeit leben wir aber in einer Welt der Menschen, die die "Dinge" steuern und nicht selbst durch sie kontrolliert werden sollten. Und weil Menschen, und somit auch die Technik, die sie erfinden, nicht unfehlbar sind, sind Gesetze nötig, um die Würde von allen Menschen vor Ausartungen der Wirtschaft und der Technik zu beschützen.